Reh und Schwein kommen selten allein
Im Herbst ist - neben den Frühjahrsmonaten - die Gefahr eines Wildunfalls am höchsten. Pro Jahr ereignen sich in Deutschland rund 250.000 Wildunfälle, das entspricht - statistisch betrachtet - etwa alle 2,5 Minuten einem Unfall mit einem Reh, Hirsch oder Wildschwein. Rehe sind dabei am häufigsten betroffen. Die meisten Wildunfälle ereignen sich in der Dämmerung und nachts sowie an Wald-Feld-Grenzen, wenn Wildtiere auf Nahrungssuche sind. Dieser Aspekt ist besonders im Herbst relevant, wenn die Zeit umgestellt wird. Dann fällt die Dämmerungsaktivität der Wildtiere mit Berufsverkehr zusammen und die Wahrscheinlichkeit eines Wildunfalls steigt, resümiert die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg. Vor diesem Hintergrund warnt Marcellus Kaup von TÜV SÜD: „Vor allem nach Wildwechsel-Schildern sollte man langsam fahren und auf die Fahrbahnränder achten.“ Wer statt Tempo 80 nur 60 fahre, verkürze seinen Anhalteweg um 40 Prozent, also um 34 Meter. „Befinden sich Tiere bereits auf der Fahrbahn, heißt es umsichtig bremsen, abblenden und hupen“, rät Kaup. Außerdem sollten Autofahrer stets mit mehreren Tieren aus einem Rudel rechnen - Rehe und Wildschweine kommen selten allein. Besteht das Risiko bei einem Ausweichmanöver den Gegenverkehr zu gefährden, im Straßengraben zu landen oder gar gegen einen Baum zu prallen, sollten Autofahrer keinesfalls versuchen, dem Wild auszuweichen. Was dann passieren kann, ist kaum kalkulierbar.
Wenn es trotzdem kracht: „Notruf 110 wählen“, rät der TÜV SÜD-Fachmann. Die Polizei informiert den Jagdpächter, der sich um das angefahrene Tier kümmert. Selbst nichts anfassen und schon gar nicht das Tier in den Kofferraum laden, das kann als Wilderei ausgelegt werden. Die Polizei stellt eine Bescheinigung über den Wildunfall für die Versicherung aus. „Zudem helfen Fotos von der Unfallstelle, Ansprüche auf Schadensersatz zu untermauern“, rät Kaup.
Dann heißt es, sich um das eigene Auto zu kümmern. Weiterfahren? Kommt auf die Schäden an. „Ein ausgewachsenes Wildschwein wiegt bis zu 200 Kilogramm. Wer solch ein kompaktes Tier mit Tempo 80 rammt, erlebt zunächst die Krafteinwirkung von umgerechnet 4,5 Tonnen aufs Fahrzeug und einen Sekundenbruchteil später das Zünden der Airbags. Weiterfahrt unmöglich“, schildert Kaup seine Erfahrungen. Ein Abschleppdienst ist ebenfalls notwendig, wenn Öl oder Kühlwasser austritt.
Auch nach weniger schweren Kollisionen kann das Fahrzeug nicht mehr verkehrssicher sein, etwa im Dunkeln mit kaputten Scheinwerfern. Tritt etwa Flüssigkeit aus, wird es kritisch: Handelt es sich um Öl oder Kühlwasser, wäre ein Motorschaden innerhalb der nächsten fünf bis zehn Kilometer wahrscheinlich, ein Abschleppdienst ist also zwingend nötig. „Das ist keine übertriebene Vorsicht, sondern Fakt“, so der Fachmann: „Ein Turbolader quittiert bereits zehn Sekunden ohne Schmierung den Dienst.“
Selbst nach Kollisionen mit kleineren Tieren wie Hasen oder Füchsen, wenn oberflächlich gar nichts zu sehen ist, sollte man sein Auto penibel in Augenschein nehmen. Moderne Fahrzeuge sind am Unterboden großflächig mit Kunststoff verkleidet. Diese Platten splittern beim Überrollen und können anschließend an Reifen oder Fahrwerksteilen scheuern sowie andere Verkehrsteilnehmer gefährden. Eine Gefährdung liegt auch vor, wenn die Frontscheibe zersplittert und keine einwandfreie Sicht mehr gegeben ist.